Tänzerin Helena Sturm: Wie ich die Isolation erlebe und wie ich mich fit halte

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Helena Sturm 

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„Ich frage mich, ob man uns einfach vergessen hat“. Die aktuell anhaltende Corona-Krise stellt viele Menschen vor ganz neue Herausforderungen. Nicht nur  viele Veranstaltungen, wie kürzlich auch die Wagner Festspiele in Bayreuth und viele andere wichtige Sommerfestivals – wurden abgesagt, sondern auch gewohnte Routinen müssen plötzlich komplett neu überdacht werden. Unsere IBS Expertin, Tänzerin und Künstlerin Helena Sturm erzählt in diesem Artikel auf sehr spannende Art und Weise, wie die aktuelle Situation ihre Welt verändert hat.

 

Jedes Mal, wenn ich die Nachrichten sehe, frage ich mich, ob man uns Künstlerinnen und Künstler denn einfach vergessen hat. Ob die Welt des Theaters sich tatsächlich so sehr von der „normalen“ Welt absetzt, dass man sie so einfach und so schnell völlig ausklammern und in sämtlichen Äußerungen immer wieder außen vor lassen kann.

 

Mir war immer klar, dass ich mich in einer etwas anderen Welt bewege – und genau das habe ich immer so geliebt und geschätzt. Plötzlich ist aber diese ganze Welt auf unbestimmte Zeit einfach verschwunden. Und doch weiß ich: wann immer es weitergeht, ich will bereit sein.

Ich glaube, ich wurde als Tänzerin geboren. Denn das Tanzen hat schon immer mein Leben bestimmt und ist meine große Leidenschaft! Ich freue mich so, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.

 

Seit meinem Abschluss im Jahr 2015 reise ich immer dorthin, wo es spannende neue Projekte gibt! Ich möchte immer gerne den nächsten bzw. einen weiteren Schritt machen und versuche immer, das Beste aus mir herauszuholen. Ich liebe es neue Herausforderungen anzugehen!

 

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Wichtig ist das Mindset! Das Beste aus der Situation machen.

 

Ich habe über drei Wochen gebraucht, um meinen Körper und meinen Kopf soweit herunterzufahren, dass sowas wie Entspannung möglich war. Da die Projekte, an denen ich bis zuletzt in Österreich gearbeitet hatte, schon abgesagt oder noch vorläufig pausiert waren, habe ich mich bereits eine Woche vor der offiziellen Ausgangssperre bei meiner Familie in Deutschland in Isolation begeben. Ruhe war das erste Ziel. Ich wollte mich nicht von Gerüchten verunsichern lassen, immer nur das glauben, was tatsächlich bestätigt ist. So konnte ich von Tag zu Tag das Beste aus der Situation machen, in der ich mich wiederfand, und hatte Zeit jeden Rückschlag hinzunehmen und zu verarbeiten.

 

Ausruhen, Gedanken ordnen, Kraft schöpfen… und einfach mal nicht auf die Uhr schauen.

 

Ausruhen ist bei mir oft etwas, das in einem kurzen eingeplanten Zeitfenster passieren soll. Jetzt hatte ich Zeit auf meinen Körper zu hören, mich auch mal treiben zu lassen. So kam ich langsam in einen positiven und energetischen Gedankenkreislauf, der mich motiviert und von innen heraus antreibt das zu tun, was im Moment richtig ist und mir guttut. In vielerlei Hinsicht wurde mir dabei klar: weniger ist mehr – Fokus ist alles.

 

Eine in der Tat sehr lehrreiche Erfahrung, die, wie ich glaube, viele Menschen momentan machen. Ich hoffe, dass einige diese Erfahrung auch weiterhin mittragen, auch wenn unser Alltag sich wieder normalisiert. Ich will es zumindest versuchen.

 

Gezielt und geduldig an Schwächen arbeiten. Das eigene Spektrum erweitern.

 

Schon nach wenigen Tagen der Ruhe und des „Sich-Treiben-Lassens“ zeigte sich für mich sehr klar: sobald mein Körper bei Kräften ist, brauche ich zwei Dinge: Struktur und Training. Mein Körper steckt voller Energie, die ich jetzt zielführend nutzen kann.

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„Um gelassen und fokussiert in den Tag zu starten, mache ich gleich nach dem Aufstehen eine Einheit Yoga, manchmal radle ich außerdem zu einem nahegelegenen See und schwimme einige Minuten im kalten Seewasser.“ (Quelle: Stefano Padoan)

Seitdem nutze ich meine Zeit so effizient wie möglich und versuche zugleich Platz zu lassen für Spontanes, so dass jeder Tag etwas anders und damit einzigartig werden kann. Ich merke, dass dadurch meine Gelassenheit wächst und ich mich endlich Themen widmen kann, von denen ich weiß, dass sie meine Schwachpunkte sind.

 

Eisbaden habe ich den ganzen Winter über betrieben und genieße es nach wie vor sehr, wie klar die Gedanken nach einem Bad im kalten Wasser sind.

Vormittags arbeite ich dann (an meiner improvisierten Ballettstange, dem Treppengeländer) an meiner Balletttechnik. Anschließend übe ich steppen und singen. Auch Klavierspielen ist wieder im täglichen Ablauf zu finden. Zudem improvisiere ich quasi immer, wenn ich sonst ruhig stehen würde, oder übe in den verschiedensten Positionen die Balance zu halten.

 

Den Nachmittag versuche ich bei gutem Wetter draußen zu verbringen – entweder im Garten oder auf dem Fahrrad, mit den Inlinern,… Bei schlechtem Wetter komme ich endlich dazu den Datenberg zu ordnen, der seit langem eben danach ruft.

 

Den Horizont erweitern. Tun wozu man sonst nie Zeit hat.

 

Aber nicht nur sportlich gesehen versuche ich möglichst die Vorteile der Lage zu nutzen.
Wenn man viel unterwegs ist, ist es oft schwer genau auf die Ernährung zu achten. Umgekehrt ist es in den letzten Wochen besonders leicht die Ernährung sehr gezielt zu gestalten. Auch der Frühling hilft mir dabei gut – sobald die Sonne scheint und es wärmer wird, ernähre ich mich gerne gesund und wenig kalorienreich.

 

Was in meinem Alltag auch oft zu kurz kommt ist Lesen jeder Art, dabei tue ich das sehr gerne… Zeitung, Fachliteratur, Romane, Klassiker der Literatur. Lesen ist für mich ein Zeichen gänzlicher Ruhe – ein Gegenpol zu meinem aktiven Leben. Die Zeit dafür räume ich mir dieser Tage gerne ein und bemerke wie positiv sich das auswirkt.

 

Langeweile ist es nicht – es ist die Unsicherheit im Hinblick auf die Zukunft

 

Und obwohl mir klar ist, dass mir so schnell nicht langweilig werden wird, treffen mich die Neuigkeiten „von außen“ – bislang die Absage der Vorstellungen des „Zigeunerbaron“ an der Volksoper Wien, der Produktion „Ein Käfig voller Narren“ des LéharTHEATERostern, einer Revuematinée im Wiener MuTh Theater, der letzten beiden Vorstellungen der „Lustigen Witwe“ am Staatstheater Augsburg, der Produktion „Candide“ am Staatstheater am Gärtnerplatz in München – jedes Mal mit voller Wucht.

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Und die Unsicherheit bleibt – jeden Tag das Hoffen, das Warten und immer wieder Entscheidungen, die für mich schwerwiegende Folgen haben. Ich versuche mich nicht unterkriegen zu lassen, sondern immer weiter nach vorne zu schauen, um irgendwann gestärkt aus der Situation hervorzugehen, wenn wir wieder so etwas wie Normalität erleben dürfen. Ich hoffe nur, dass man uns unterwegs nicht irgendwo auf der Strecke einfach vergisst.

Statement

Wir möchten uns bei Helena für diese wirklich sehr spannenden Einblicke bedanken. Die aktuelle Situation stellt viele Menschen unerwartet vor ganz neue Herausforderungen und gewohnte Routinen müssen plötzlich komplett neu überdacht werden. Wir hoffen jedenfalls, dass dieser Artikel dem ein oder anderen hilft, das Beste aus der Situation zu machen.



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